Meyer Werft – Geht es ums Überleben?

In einer gestrigen Videokonferenz erklärte Juniorchef Jan Meyer, dass sich die Werft aufgrund der Pandemie und dem Zusammenbruch der Kreuzfahrtindustrie in einer Existenzkrise befinde. Es stehen bei Meyer und den Zulieferern 14.000 Arbeitsplätze in der Region und bis zu 24.000 in der gesamten BRD auf dem Spiel.

Die bisher getroffenen Maßnahmen (Kurzarbeit, Produktionsstopp im Sommer und im Dezember 2020) und die Zusage der Reedereien, dass Meyer die georderten Neuaufträge bis 2025 strecken kann, reichen nicht aus. Es gibt in den nächsten Jahren 40% weniger Arbeit und es müssen 1,25 Mrd. Euro eingespart werden, so Meyer. Das geht nach Auffassung der Werft-Bosse ausschließlich über die Streichung von Arbeitsplätzen.

Es wundert nicht, dass Meyer jetzt Jan Meyer vorschickt, denn er hat bereits Erfahrungen mit Massenentlassungen am Standort Turku, wo er bis Juni 2020 die Geschäfte leitete. Am finnischen Standort wurden in der ersten Jahreshälfte bereits 450 Beschäftigte entlassen, weitere 900 müssen mit vorübergehenden Kündigungen oder der Anpassung der Arbeitszeit rechnen.

Natürlich ist die Lage auf dem Kreuzfahrtmarkt desolat, aber einfach darauf zu hoffen, dass die Lage sich in zwei, drei Jahren vielleicht wieder ändert und in der Zwischenzeit 1400 Arbeitsplätze abzubauen, zeugt von der Dekadenz der heutigen Kapitalistenklasse. Wir sehen das nicht nur bei Meyer, sondern auch bei den Autozulieferern. Es wird gar nicht erst nach alternativen Produktionsfeldern gesucht, sondern verlässt sich darauf, dass der Staat schon irgendwie eingreifen wird, um das Schlimmste zu verhindern.

Das Schicksal der Mitarbeiter, die über Jahrzehnte dafür gesorgt haben, dass Meyer zu einem der Großen im Bau von Kreuzfahrtschiffen geworden ist, interessiert die Bosse nicht sonderlich, denn sie haben ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht und ein Vermögen von schätzungsweise 800 Mio. Euro angehäuft. Und selbst mit einer um 40% verringerten Belegschaft werden die Werftbesitzer noch Profite machen, während die entlassenen Kolleginnen und Kollegen auf der Straße stehen und nicht mehr in der Lage sind, die Hypotheken für ihre Häuser zu bezahlen.

Das Verhalten der Werftbosse ist symptomatisch für das kapitalistische System, in dem Arbeiter und Angestellte geschätzt werden, solange die Unternehmer Profite machen. Im Fall einer Krise, wie der jetzigen, wird ein riesige industrielle Reservearmee aufgebaut, um auch langfristig die Löhne der noch Beschäftigten zu drücken.

Interessant ist auch das Verhalten der lokalen Presse. In der Ausgabe vom 21.09.20 übernimmt die OZ einen Kommentar des Chefredakteurs der Papenburger Ems Zeitung, Gerd Schade, der schreibt: „Wenn durch das gestreckte Bauprogramm in den nächsten Jahren weniger Arbeit da ist, wird ein Teil der Beschäftigten gehen müssen.“

Das ist eindeutig Stimmungsmache gegen den Betriebsrat und der IG Metall. Besser hätte es Jan Meyer auch nicht sagen können. Das zeigt aber auch die Beschränktheit eines Journalisten, der nur das widerkaut, was ihm die Meyer Bosse vorsetzen. Herr Schade, haben Sie Herrn Meyer einmal gefragt, ob es nicht auch kurzfristig neue Produktionsfelder geben könnte, in die Meyer einsteigt, um die Krise zu überbrücken? Es reicht nicht, wie ein Kaninchen vor der Schlange zu sitzen und auf bessere Zeiten zu warten.

Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass Meyer stets Wert auf die Weiterqualifizierung der Belegschaft gelegt hat, dass in neuen Produktionsfeldern (Brennstoffzellen) geforscht wird, Kreuzfahrtschiffe mit LNG-Antrieb auf der Werft gebaut worden sind. Kann man diese Erfahrung nicht kurzfristig für neue, innovative Produktionsfelder nutzen?

In der Vergangenheit hat Meyer über 25 Fähren für Indonesien gebaut, die mit Hilfe des Entwicklungsministeriums finanziert wurden. Wie wäre es, wenn die BRD Meyer den Auftrag erteilen würde Schiffe zur Ortung und Bergung von Munition aus dem 2. Weltkrieg in Nord- und Ostsee zu bauen?

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die besten Ideen haben sicherlich die Arbeiterinnen und Arbeiter, die wissen, was mit ihren langjährigen Erfahrungen und Qualifikationen umsetzbar ist. Die IG Metall hält sich überraschend zurück. Sie ist jetzt gefordert neue Ideen einzubringen, um die Arbeitsplätze auf der Werft zu verteidigen. Eine Entlassungswelle wie 2003 muss im Interesse der gesamten Region verhindert werden.

Jan Boerma
Ems Zeitung und OZ

One thought on “Meyer Werft – Geht es ums Überleben?

  1. Meyer-Werft, geht es ums Überleben?
    ein exzellenter Artikel, der Wahrheit entsprechend und durchdacht. Sollte im GA/OZ und Emszeitung erscheinen, damit den Menschen die Augen geöffnet werden.

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